Keynote
«Früher war alles besser, oder?»
Wir leben in einer rasanten, kurz- und schnelllebigen Zeit, dennoch ist nicht alles schlechter, als es früher war. Es hat sich vieles massiv verändert, und die wohl größte Transformation ist gerade voll im Gang. Nur denkt jeder, dass sie an ihm vorübergehe und ihn nicht betreffen werde. Denkste! Da wird kein Stein auf dem anderen bleiben und erst mit dem Erreichen der Singularität der künstlichen Intelligenz enden. Wie, bleibt offen.
Aktuell ist das, wohl zum Glück, noch nicht in Sichtweite.
Es gilt, sich dieser Veränderung zu stellen und nicht zu jammern und irgendwelchen alten, besseren Zeiten nachzutrauern.
Du kannst der Vergangenheit jeden Tag anrufen –
sie wird dir nie etwas Neues erzählen.
Wie lange ist "früher", und ab wann ist "heute"?
Von künstlicher Intelligenz (KI) – Artificial Intelligence (AI), humanoider Robotik und Quantencomputing werden heute im 24-Stunden Takt neue sensationelle Fortschritte veröffentlicht. Dabei gilt es zu bedenken, dass wir informativ nur auf dem Stand der Technik gehalten werden, den irgendwelche Gremien als sinnvoll zu kommunizieren erachten. In Wahrheit ist das Ganze schon viel weiter.
Was heißt das für uns Fotografen, Videografen und Designer?
Mitgehen, aufmerksam mithalten und sich individuell von der Masse und deren generativ erstelltem Einheitscontent abheben.
ChatGPT kennt inzwischen jeder, der ein bisschen computeraffin mit der Zeit geht. Daneben gibt es aber noch viele andere kostenpflichtige und kostenlose Open-Source-Bild- und Videogeneratoren sowie Manipulatoren, die aus dem Nichts bzw. einem schlauen Prompt ein Foto oder ganze Videos erschaffen – mit mehr oder weniger realistischem Inhalt. Ob das noch etwas mit dem Handwerk der Fotografie zu tun hat oder nicht, soll jeder für sich entscheiden. Über den Einsatz solcher Software kann man geteilter Meinung sein und endlos diskutieren. Fakt ist: Sie ist da und wird benutzt, und wir begegnen ihren Resultaten meistens unwissentlich – tagtäglich. Die gerechtfertigte Frage ist: Wer bringt die Zeit auf, den mit immer weniger Begeisterung, Enthusiasmus und „Liebe zum Beruf“ geschaffenen Content noch richtig anzuschauen? Oder ist es wie mit WhatsApp-Nachrichten – so flüchtig, nebenbei und unkonzentriert, wie sie geschrieben sind, so oberflächlich und husch-husch im Vorbeigehen werden sie nicht gelesen und nicht wirklich wahrgenommen?
Was machen wir dann bloß mit all der gewonnenen Zeit, die durch humanoide Automation von Herstellungsvorgängen und Ersparnis durch KI-Agenten beim Abarbeiten von Workflows im Büro entsteht? Generieren wir noch mehr dekadenten Gender- oder Globalisierungswahnsinn?
Anyway. Was die Entwicklung von KI-Software klar gebracht hat ist ein Fortschritt und eine Erleichterung für jeden modernen Fotografen der in seinem Workflow nun Techniken und Algorithmen einsetzen kann, die früher mühsam mit Photoshop manuell abgearbeitet werden mussten. Software, die KI-gestützt das Bild analysiert und einzelne Teile der Aufnahme segmentiert und partiell bearbeitet: Aufhellen, Abdunkeln, Schärfen, Weichzeichnen, Farbstiche entfernen, Hauttöne bearbeiten, Himmel separieren, Silhouetten-Erkennung etc. All das selektiv auf einzelne Bereiche des Bildsujets und vollautomatisch – das ist schon äußerst praktisch. Es gibt heute sensationelle Tools für die Fotobearbeitung und den Bildfinish. Sogar KI-basiertes Hochskalieren und effektive AI-Rauschentfernung sind kompromisslos brauchbar geworden.
Außerdem gehören wirklich schlechte Kameras und Linsen der Vergangenheit an, und das Herumschleppen von Tausenden von Franken teurem Equipment darf zu Recht hinterfragt werden. In Anbetracht dessen, dass maximal 1 % der rund 1,8 Mrd. Fotos, die tagtäglich weltweit geschossen werden, noch gedruckt werden sowieso. Fachtechnisch richtig aufbereitet, sind sogar Handy-Bilder schon lange problemlos für den Druck verwendbar, fürs Internet sowieso. Wenn ein Fotograf im Jahr 2025 immer noch das Gegenteil behauptet, hat das nichts mit Berufsstolz zu tun,
sondern Angst um den Job.
Geh mit der Zeit, sonst gehst du mit der Zeit.
Arrangieren, neu ausrichten und eventuell sogar neu erfinden, anstatt irgendwelchen alten Zeiten nachzutrauern –
sie werden nicht mehr kommen.
Aufhören zu jammern ist der erste Schritt zum Erfolg.
Ich bin jedenfalls gespannt, was da noch alles auf uns zukommt und was wir daraus machen.
«Auch wenn der Fortschritt und der Einzug
der künstlichen Intelligenz
in allen Belangen unseres Lebens unaufhaltsam ist,
plädiere ich nach wie vor
für die Verwendung der natürlichen».
Jörg Haefeli, Februar 2025